Man fühlt sich ein bisschen losgelöst und zwischenzeitlich unglaublich leicht, Feiern im eigentlichen Sinne des Wortes: völlig egal, was andere denken, man zappelt und wippt und tanzt durch die Gegend, muss viel lachen oder taumelt irgendwie selbstvergessen herum. Zwischenzeitlich wird's auch mal härter, düsterer, man spürt die Energie der Bässe ganz tief im Kopf und im Bauch, sieht Sternchen glitzern und und kann einfach nicht stillstehen. Die Musik, die Christal zusammenmischt und produziert ist treibend, fließend, bunt und voller Emotionen. Sie erinnert einen daran, dass das Leben, wenn man sich mal fallen lässt, doch ganz schön sein kann, ermöglicht Abstand zu einem verkopften Alltag und nimmt einen mit sich. Ich sehe blendende Stroboskoplichter und Rauch, ein bisschen Melancholie, aber es zieht einen nicht runter. Oder so. Man kann es schwer beschreiben. Kein Wunder, die Einflüsse, die ihre Musik prägen, sind locker, vielseitig, von überall her nimmt sie etwas auf. Was man aber ganz deutlich hört: sie ist ein Kind der Achtziger. Poppige Synthie-Sounds vermischen sich mit Knistern, wabernden, düsternden Klangflächen und monotonen Bässen, durchbrochen von "Give me that love, Babe" - Vocals.

Ich hole mal ein bisschen weiter aus:
Irgendwann war ich mal in der Ilse, schön rumhüpfen zu 'nem wilden und manchmal merkwürdigen Indie-Elektro-Pop-Mix. Gute Laune und man nimmt sich nicht zu ernst. Dann hat mich jemand von der Seite angelacht, mitgehüpft. Wir sind raus gegangen, eine rauchen, sie grinst mich an, zieht 'nen Kräuterschnaps aus ihrer Tasche. "Den hab ich vorhin reingeschmuggelt - und jetzt wieder raus."

Christin aka Christal oder auch Christal Rash mag alles, was "schön bescheuert" ist. Sie hat ein Auge für die kleinen Absurditäten des Lebens und hat deswegen auch viel zu lachen. Und das mag sie auch beim Feiern, man spürt es, wenn sie selber auflegt: Nur nicht zu ernst. Aber das heißt keinesfalls, dass ihren Sets die Tiefe fehlt. Sie hat auch ein Auge und Gespür für Melancholie an den richtigen Stellen. Vielleicht ist es das, was die Sets so abwechslungsreich macht: da ist Raum für alle möglichen Emotionen, es sind kleine Schätze, gemixt mit viel Herz. Jedes Stück ist ein Baustein, hat etwas zu erzählen, ergänzt die Vorherigen. Ein Mix, erzählt wie eine Geschichte. Wenn man sich die Entwicklung anschaut, die sie in den letzten zwei Jahren musikalisch durchlaufen ist: immernoch sind die Einflüsse mannigfaltig, immernoch spürt man verschiedene Emotionen hinter der Musik. Sie gibt immernoch viel Raum, öffnet eine weite Sphäre. Aber vielleicht ist ihre Musik ein bisschen ernster geworden, erwachsener irgendwie. Nichtsdestotrotz: man kann den Kopf auch ausschalten und sich einfach nur bewegen. Ab und zu mal mitsingen. Und Schnaps passt auch meistens dazu.

Sie ist übrigens ausgebildete Kommunikationsdesignerin und macht neben der Musik noch ganz viele andere Sachen die ihren kreativen Fluss unterstützen.

Im Interview erzählt sie von den Einflüssen auf die Musik, die sie macht, warum sie die beim Feiern manchmal das Gefühl hat, die Leute "arbeiten nur ab" und warum es mal eine Schlägerei gab, als sie aufgelegt hat:

Wie kam es denn zu deinem DJ- Alter Ego Christal?

Wir morphen im Freundeskreis ganz gerne unsere Namen, machen kleine Wortspiele. Bei mir gab es da schon einige Stufen, zum Beispiel auch mal Christal Rash. Das fand ich ziemlich dynamisch. Und Christal, naja. Mineralien, Steine, das glitzert. Das hat mir gut gefallen.

Wie bist du überhaupt zum Musikmachen gekommen?

Letztendlich ging es schon in der Kindheit los. In meiner Familie wurde schon immer viel Musik gehört, hauptsächlich Platten. Die 80iger wurden gelebt bei uns, es wurde viel gesungen, viel getanzt. Da war ich natürlich immer vorn mit dabei. (lacht) Im Teeniealter habe ich viel in Plattenläden abgehangen und stundenlang CDs gehört, das war eben meine Nachmittagsbeschäftigung nach der Schule. Musikfernsehen war damals auch noch echt gut, Musikzeitschriften studiert. Dadurch bin ich auf Raritäten gestoßen. Alles auf VHS dokumentiert und auch Musikmixe für Freunde auf CDs gemacht. Ist auch spannend mich daran zu erinnern und es mit heute zu vergleichen. Irre. Viel visueller und voll handwerklich. Mit 16 oder 17 habe ich mir dann CD Player und Mixer gekauft und angefangen zu üben, mit 18 hatte ich dann den ersten Auftritt.

Wo würdest du dich denn musikalisch einordnen?

Schwierige Frage. Im Groben natürlich zwischen House und Techno. Durch den Einfluss meiner Familie spielen die 80er eine große Rolle, auch durch ihre poppige Leichtigkeit. Wenn ich mir Tracks aussuche, dann muss immer irgendwas Besonderes dran sein, Erinnerung zum Beispiel.  Dadurch ist eine genaue Einordnung schwierig.  Mein musikalisches Interesse ist breit gefächert. Also wenn ich sage breit, dann meine ich offen für Vieles. Da gibt’s überall Ansätze die mich inspirieren und dieses „Ah geil!“ Moment auslösen. Vielleicht so: Ich feier gerade die EP von DJ Octopus. Ich mag Lake Haze's- aufs Maul- Dschungeltechno. Und dann kommt noch einer aus Niger, der elektronische Orgel spielt. Immer etwas anders, irgendwie exotisch.

Gibt es noch irgendwelche spezifischen Einflüsse, die dich immer pushen und inspirieren?

Gute Frage, die gibt es tatsächlich. Da kann ich eine kleine Geschichte erzählen. Meine damaligen Freundinnen und ich, wir sahen aus wie 'ne Girl-Group, aber irgendwie alle unterschiedlich geprägt. Eine kam aus dem Hip-Hop, Folklore, Techno,… Wir nannten uns die „Muschikatzenpuppen“. Es gab so eine Sache, die uns neben den Stilen immer verbunden hat, nämlich dass wir das Absurde total gefeiert haben. Zum Beispiel gab es damals in Halle einen Schlagersänger, der konnte keinen Ton halten, hatte 'nen mega Dialekt, unglaublich schräg. Wir haben Partys gemacht, da ist dann der Schlagersänger aufgetreten, dann habe ich aufgelegt, davor hat 'ne Elektro-Punkband gespielt, Mash Gordon, auch coole Typen.  Also alles schön bescheuert, nie zu ernst. Kleine Brüche machen den bekannten Unterschied. Dieser musikalische Schwachsinn war irgendwie sinnstiftend und ermutigend.

Was ist elektronische Musik für dich, was löst es in dir aus?

Ich glaube da kann man den Bogen ganz weit schlagen: Warum mag meine Oma Schlager? Höre ich mir auch ganz gerne mal an. (lacht) Finde ich super, mich da mal einzufühlen. Elektronische Musik hat ja weniger Text, das heißt es geht mehr um das Fühlen, zumindest für mich. Ich bin super emotional bei Musik, komme bei elektronischer Musik auch stark in so ein Gefühl von Trance. Wenn man einen Flow hat, die Drums treiben einen an, der Bass wummert im Rhythmus deines Körpers, es gibt eine Melodie, die dich fühlen lässt, und du bist in einem Zustand… den vergleiche ich gerne mit Verknallt-Sein. Wenn es richtig gut läuft! Kribbeln im Bauch, du weißt nicht ob du Heulen oder Lachen sollst. Im besten Fall schaffen es die Tracks dann zum Soundtrack von Lebensphasen zu werden.

Was ist dann für dich ein gelungener Abend, wenn du auflegst?

Wenn die Leute die Musik, die ich auflege, genauso feiern wie ich. Ich kann hinter dem DJ-Pult auch nicht stillstehen, ich gehe da voll mit, lasse meine Leidenschaft raus. Dann gucke ich manchmal auch gar nicht so sehr ins Publikum, bekomme nur Nuancen mit: Entweder sie feiern es oder sie feiern es nicht so sehr. Dann bleibt es still und ich bekomme es auch nicht so sehr mit. Aber wenn die Leute das feiern, dann ist es eine unglaubliche Bestätigung. Und das Gefühl, dass sie das genauso gut finden wie ich, das verbindet eben.  Das hat so was esoterisches manchmal, wie eine Zeremonie.

Gab es für dich beim Auflegen schon mal einen Worst Case?

Da gibt es 'ne schöne Geschichte. (lacht) Das war tatsächlich auch, als ich das erste Mal aufgelegt habe, die Party mit besagtem Schlagersänger. An dem Punkt, an dem ich auflegen sollte, gab's 'ne Schlägerei und die Party wurde aufgelöst.
Also als ich 18 war, da ging es gerade los mit dem Indie und Elektro in Musikzeitschriften, das war richtig cool. Wieso hat das noch niemand im Club gemacht? Also habe ich es eben an dem Abend gemacht. Naja da kamen dann Stimmen aus dem Publikum „Entscheide dich doch mal für eine Richtung, Indierock oder Elektro!“. Und da gab es dann eben die Schlägerei, die Party wurde beendet. Der Laden war voll – und dann ganz schnell leer.

Immerhin hast du dein Ding durchgezogen!

Genau, hab ich (lacht)

Du kommst ursprünglich ja aus Halle, bist aber schon einige Jahre in Leipzig. Wie nimmst du Leipzigs Clubkultur wahr - sowohl als DJ als auch als Gast?

Es gibt irgendwie die Großen, die Mamas und Papas unter den Clubs, IFZ, Tille, Westwerk, Island. Da gehe ich hin und weiß, was passiert. Ich weiß ungefähr, wie das Publikum drauf sein wird. Es ist ziemlich vorhersehbar, ich mag es lieber unvorhersehbar und abenteuerlich. Das Goldhorn und die Ostapotheke mochte ich,  das war meist wie eine große Hausparty! Unkonventionell, verwinkelt und bunt gemischt.
Manchmal würde ich mir wünschen, dass die Musik mehr gefühlt wird. Ich hab das Gefühl, das ist subjektiv und vielleicht gewagt, dass die Szene manchmal eher abarbeitet als genießt. Mir fehlt oft das Fühlen dabei, für den Club, den Abend, den DJ und dessen Arbeit. Der kann es auch verkacken und die Leute feiern trotzdem – so ein bisschen mehr… Ehrlichkeit. Mehr Magie spüren durch das was gegeben wird.

Ich kenne Christin jetzt bereits seit über drei Jahren. Für das Interview haben wir uns am Campus auf ne Bank gehockt, ein Becher Kaffee in der einen, die Zigarette in der anderen Hand. So richtig hab ich sie nie gefragt, wie warum was sie für elektronische Musik macht. Das Interview war spannend, weil ich das, was sie erzählt hat, in das Bild integrieren konnte, was ich bereits von ihr hatte. Wir mussten viel lachen, und wenn ich ihre Musik höre, fühlt sich alles stimmig an, sie zieht ihr Ding durch und ich würde mich nicht wundern, wenn sie auch heute mal alle Stile wild durchmixt - und die Leute es feiern würden, statt sich zu prügeln.

© Paula Charlotte

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