Den hippesten Track der Saison, den neuesten Shit, das wird man in einem Set von F.D.M. vermutlich nicht finden. Dafür aber etwas anderes: viel Seele, viel ursprünglichen House, dreckig und roh aus Chicago, aus Südamerika, aus dem Orient. Die Einflüsse in seinen Sets sind vielfältig, was sie aber alle gemeinsam haben: sie transportieren etwas. Seine Stimmung, eine Message: Musik macht frei. Wenn es um Musik geht, gibt es keine Grenzen, alle sind gleich.
"Für mich ist Musik der einzige Raum ohne Herkunft, Farbe, Religion, Ethnie. Ich fühle mich frei, kann mich durch die Musik, das Auflegen, ausdrücken."
F.D.M. heißt eigentlich Elias. Er ist in Algerien geboren, in Paris groß geworden und lebt seit 2008 in Leipzig. Von dieser Herkunftsgeschichte hat er im Bezug auf die Musik viel mitnehmen können. Wie er mit der Musik in Kontakt gekommen ist, hört man seinen Sets an: Underground, Radiomixe auf Kassetten aufgenommen, Privatpartys. Alles locker, es muss nicht perfekt sein. Hauptsache, man hat Spaß dabei. Wenn er nach einem Auftritt nicht verschwitzt ist, war er nicht richtig dabei.
"Die Meisten wollen Sicherheit haben, nehmen kein Risiko in Kauf. So macht die ganze Sache aber keinen Spaß. Meine Vorstellung, wenn ich auflege: Wenn ich nicht schwitze, nicht erledigt bin, dann ist etwas komisch."
Wenn er gerade keine Musik macht arbeitet er übrigens in der Waldorfschule an einem Ernährungsprojekt mit Kindern. Zwischen Kochen und der Musik zieht er für sich auch gewisse Parallelen:
"Musik und Kochen ist für mich auch gleich. Du hast verschiedene Zutaten, packst die zusammen, und hast das Endprodukt. Zu viel Salz? Es wird zu salzig. Zu schnelle Stücke? Es wird ein bisschen herb."
Wir haben uns im Café Cantona getroffen. Durch die gemeinsame Basis der elektro-konsumenten hatten wir direkt einen Ausganspunkt und noch bevor das Mikro mitlief hatten wir ein nettes Gespräch über die Szene in Leipzig und die Rolle der Musik. Elias hat umfangreich auf meine Fragen geantwortet und man konnte spüren, wie ihm die Musik am Herzen liegt, ohne dass er sie als Erfolgsmedium ansieht. Die Message, die er so oft hervorhebt, die seine Musik transportieren soll, lebt er auf jeden Fall.
Wie bist du zu deinem alter Ego gekommen?
In meiner Jugend war ich so ein bisschen der, der immer Blödsinn gemacht hat, immer Mist gebaut hat, ein bisschen tollpatschig war. Aber ich wurde nie erwischt, hab immer die Kurve gekriegt. Ich war immer so der Schelm. Das ist mittlerweile vorbei (lacht) Das hat mich die ganze Zeit verfolgt, und bei meinem ersten Auftritt wurde ich gefragt, wie sie mich ankündigen sollen. Und da "Fouteur de Merde" immer mit Rechtschreibfehlern einherging, wurde es irgendwann F.D.M.
(Anm. der Red.: Fouteur de Merde heißt soviel wie "Querulant", "Unruhestifter")
Wie bist du zum Musikmachen gekommen?
Ich bin ein Radiokind. Damals, so ´97, gab es Radio FG in Paris. Die haben eine Art-Session gemacht, Mixe von DJs vorgestellt, wie heute der Boilerroom. Und ich bin mit Hip-Hop groß geworden. Dann hat es gegen `97 Klick gemacht, ich fand das cool, ich hab angefangen, das aufzunehmen, auf Tape. Dann habe ich mit ein paar Kumpels angefangen, auf Geburtstagspartys aufzulegen, so ein einfacher Mixer, rauf-runter. Platten zu bekommen, war damals total krass. Es gab nur so zwei oder drei Plattenläden, die guten Sachen kamen da dann nur aus den USA. Die Musik damals war richtig Underground. Man hat auf die Radiomixe gewartet. Klickt auf Record. Hört die Namen der Labels, Guidance, Distance und Strictly Rhythm zum Beispiel. Man hat das Wissen durch das Radio gewonnen. Wir haben Privatpartys gemacht in Villen, mit Tapes aufgelegt, zwei Verstärker. Meistens Hip-Hop, New York Garage House, dreckig.
Naja, dann begann die Studienzeit, man beginnt, wegzugehen. In den Clubs damals, so 2000 die coolsten Clubs wie RexClub, Pulp. Die DJs, die da Residents waren: Wow. Ich hatte das Glück, die New Yorker DJs da zu erleben! Wie Kerri Chandler, Jovonn, Larry Heard, DJ Deep, Point G. Ich habe die erlebt, das fühlt sich krass an im Nachhinein.
Das war ein Prozess, man legt auf, geht weg, tanzt. Das wollte ich auch gerne machen, aber wie? Wer gibt dir die Chance? In Paris haben wir ja nicht so groß gespielt wie gesagt.
Und dann in Leipzig, als ich hier das erste mal feiern war, das war im Conne Island. Wir waren skaten. Und ich hab entdeckt, dass das hier eine ganz andere Clubkultur ist. Dann war im SWEAT noch eine geile Party, DOP war Headliner, und als Warmup hat Filburt gespielt. Und er hat Sachen gespielt, die ich aus Paris noch kannte. Über den Track, den er gespielt hat, als ich reinkam, unterhalten wir uns immer, diese Szene. Der hatte für diese Housegeneration auch echt viel bedeutet, ein richtig krasses Ding. Danny Tenaglia oder so war das.
Dann habe ich einer Crew etwas von mir geschickt, hab angefangen, auf Open-Airs zu spielen. Dann hab ich auf dem Keine Fische Aber Gräten Festival gespielt. Filburt, O*RS, und dann kam ich zu den elektro-konsumenten.
Dann hast du aber nicht mehr mit Kassetten aufgelegt?
Nee. (lacht) Leider nicht. Ab einem gewissen Moment will man‘s auch komfortabel. Einfach den Laptop anschließen, nicht mehr die Platten mitschleppen. Dann gibt’s keinen Plattenspieler, die Nadel ist kaputt…
Also ich lege auch mit Vinyl auf, das ist eine super Sache. Manchmal lege ich auch mit CDs auf. Meistens nehme ich Platten und USB Sticks mit. Ich denke nämlich, es gibt nicht so viele Clubs, die Wert auf gute Plattenspieler legen. Das Kassablanca in Jena zum Beispiel, die legen Wert auf Qualität, deren Anlage passt auch zu Vinyl.
In der jetzigen Zeit haben wir ein Problem: Die Meisten wollen den Komfort. Und sie erlauben sich nicht, Fehler zu machen. Aber mit Vinyl passieren Fehler, das ist normal. Die Meisten wollen Sicherheit haben, nehmen kein Risiko in Kauf. So macht die ganze Sache aber keinen Spaß. Meine Vorstellung, wenn ich auflege: Wenn ich nicht schwitze, nicht erledigt bin, dann ist etwas komisch. Nach drei Stunden bist du fertig mit dem Set und nichts war los. Ich denke der Stress, die Aufregung, das gehört dazu.
Wie würdest du dich musikalisch einordnen?
Ich bin sehr offen. Ich höre von Hip-Hop, Trip-Hop bis House sehr vieles. Aber wenn ich spiele, mag ich auch Downtempo bis House. Aber House & House, das ist verschieden. Wenn ich über House rede, dann meine ich diesen New Yorker House Ende der 90er, der mich geprägt hat. Der dreckige Chicago House mit der schwarzen Seele, mit afrikanischen und lateinamerikanischen Roots. Nicht so viele Elemente, aber eine Message. Ist schwer zu definieren oder zu schubladisieren.
Du hast jetzt schon viel erzählt, was dich pusht. Was inspiriert dich noch?
Wenn ich mich an frühere Zeiten erinnere – ich spiele gern ältere Sachen. Inspiration für mich ist nicht: Laptop an, Recherche im Internet, Playlists von anderen DJs. Die Inspiration sind die Szenen, in London, Paris, Amsterdam. Aber der Underground, nichts Berühmtes. Und man hat so ein Potpourri aus neuen und älteren Sachen. Die Mischung ergibt dann ein Set, wo die meisten vielleicht nicht alles erkennen, aber es ist cool. Vielseitigkeit ist wichtig. Ich könnt nie nur einen bestimmten Künstler oder eine Crew spielen, nur weil die gerade hip sind. Das ist für mich nicht die richtige Einstellung.
Was ist denn elektronische Musik für dich, was bedeutet es, warum machst du Musik und warum ist es dir wichtig, dass es so vielseitig ist?
Was steckt in der Musik, was ist die Message. Die Freiheit, die Besonderheit der Musik. Für mich ist Musik der einzige Raum ohne Herkunft, Farbe, Religion, Ethnie. Ich fühle mich frei, kann mich durch die Musik, das Auflegen, ausdrücken. Die Seele gehört dazu, Musik ist irgendwie auch mein innerer Spiegel.
Du sagtest auch, Musik verbindet die Menschen, es gibt keine Kategorien. Du fühlst dich also so, „Das bist du“, es gibt keine Grenzen?
Genau, es gibt keine Grenzen. Ich spiele südamerikanische, afrikanische, europäische Sounds. In meinen Mixen, auch Podcasten, beim Auflegen, spiele ich orientalisch, Hip-Hop, Hauptsache, die Message ist drin. Ich lege nicht auf, um mein Ego zu pushen. Klar, ein bisschen gehört das dazu, man steht im Mittelpunkt. Aber wie kann man diese Rolle positiv nutzen. Wenn da 100, 200, 1000 Leute stehen. Wie steuere ich das, nicht sinnlos BumBum zu spielen, sondern eine Geschichte zu erzählen. Wie schicke ich die Leute auf eine Reise?
Was ist dann für dich ein gelungener Abend?
Der perfekte Abend ist, wenn man einen bestimmten Groove, eine bestimmte Harmonie hat. Man spürt, dass die Leute auch mit drin sind, alles passt zusammen. Wie eine geschlossene Kette, eine Feedbackschleife. Die besten Partys für mich waren immer in WGs, kleinen Clubs. Du bist nah am Publikum dran, alle sind Teil des Erfolgs. Da gehört nicht nur der DJ dazu, wenn die Leute nicht mitmachen, stehst du da und spielst und spielst…
Und wie nimmst du die Clubkultur in Leipzig wahr?
Ich gehe nicht mehr so oft weg. Nur wenn ich spiele oder wenn ich denke, das Booking haut mich echt um. Vor ein paar Jahren war das Booking in Leipzig echt qualitativ hochwertig. Jetzt denke ich manchmal.. mh. Und auch, dass das Booking gar nicht zusammenpasst. Eher so Networking, komm ich spiel‘ bei dir und du bei mir, sie spielt, weil sie ein Mädchen ist… Das finde ich mittlerweile schon krass. Klar gibt’s nach wie vor Talente. Ich bin der Meinung, es geht um Musik, um Spaß. Das ist wichtig. Die Clubkultur in Leipzig, das ist schwierig, viele sagen, die Szene ist total reich, mir fehlt manchmal etwas Qualitatives, was einen vom, Hocker haut. Nicht jede Woche die gleichen Leute. Die Clubs gehen auf Nummer sicher mit den Bookings. In Leipzig gibt’s zum Beispiel echt wenig House. Naja. Ist schwierig.
Hast du noch eine Message zum Schluss?
Die Message ist wichtig, Musik ist die Message. Man sollte mehr Musik machen – und weniger Dummheiten (lacht)
© Paula Charlotte
