Es gibt so Musik, da wippt man automatisch mit dem Fuß. Man wackelt auf dem Stuhl hin- und her und wird zappelig. Lootbegs Mixe gehören zu der Sorte von Musik: Sein clubbiger House ist eine Mischung aus einem Discobesuch in den 70er / 80er Jahren und kratzigen elektronischen Sounds. Unaufgeregt, entspannt, gleichzeitig motivierend und treibend.

Verständlich, wenn man sich anschaut, wie er seine Musik produziert: Inspiriert von klassischen Sounds aus den 90ern, als es noch nicht selbstverständlich war, dass eine Software beliebig viele Beats liefert, arbeitet er mit klassischen Elementen aus der Zeit der Anfänge der House- und Technomusik.

Feiern geht er nur noch selten, denn er hat einen gewissen Anspruch an die Musik entwickelt. Zwar hört er privat auch andere Genres, dem typischen „Berlin-Geklicker-Deephouse“ ist er aber überdrüssig geworden, das geht ihm nicht nahe. Musik soll etwas in ihm auslösen. Tanzen und Emotionen seien dabei sehr eng verknüpft.

"Wenn mir wirklich was gefällt, ein elektronisches Stück ... ich bekomme da immer wieder Gänsehaut.“

Man erkennt diese Konzentration auf das für ihn Wesentliche. Durch die sehr ursprünglichen Sounds, die er in seinen Sets verwendet, hört man es seinem House nicht immer an, doch wenn man darauf achtet, spürt man selber ein bisschen was von dem Herzblut, was er beim Produzieren in die Tracks gesteckt hat. Perfektionistisch ist er dabei nicht, doch die Bewegung, die seine Musik körperlich ziemlich leicht auslöst, spürt man auch innerlich.

Hinter dem Alter Ego Lootbeg, unter Basecap und Brille, steckt übrigens Sascha. Er hat auch außerhalb des DJ- und Produzentendaseins mit Musik zu tun: Im Einzelhandel verkauft er Musikelektronik, Instrumente, Lautsprechertechnik. Als Ur-Leipziger ist er in der Stadt aufgewachsen, und hier macht er auch am liebsten Musik. Lootbeg ist übrigens eine Wortspielerei: Mit Bootlegs, also Edits von Songs – in seinem Fall Diskoklassiker der 70er und 80er Jahre – hat er 2007 begonnen, House-Musik zu machen. Obwohl er inzwischen selber produziert, findet er es noch passend, weil es seine Anfänge widerspiegelt.

Im Interview mit EK erzählt Lootbeg, warum er zwar anspruchsvoll, aber nicht perfektionistisch ist, und warum Techno in Leipzig seiner Meinung nach ein zu großes Stück vom Kuchen der elektronischen Szene ausmacht.

Wie genau bist du denn zur Musik gekommen?

Das ging eigentlich ganz klassisch los, ungefähr 2000 habe ich verstärkt elektronische Musik gehört und auch richtig wahrgenommen. Also nicht nur im Radio gehört, sondern auch die ersten CDs gekauft. Das war damals aber noch ein bisschen technoider als das heutzutage. Und die Intention, das irgendwie auch selber machen zu wollen, ging damit eigentlich zeitgleich einher. Dann kamen die ersten kleinen Softwareprogramme, mit denen man versucht hat, ein paar Beats zu bauen. Dann bin ich verstärkt hier in die Clubkultur in Leipzig eingetaucht und war jedes Wochenende weg, hab mich inspirieren lassen. Da waren damals Sounds dabei, die hatte man noch nie auf irgendwelchen CDs gehört, das war komplett was Neues. So kam das dann eben dazu, dass ich selber angefangen habe Musik zu machen.
Als klassischen DJ sehe ich mich selbst eigentlich nicht. Ich lege nicht mit Schallplatten auf, sondern mache das komplett mit einem nativen System, sprich mit einem Controller, Laptop und Software. Klar, irgendwie ist man ja dann trotzdem noch DJ im allgemeinen Sinne, die Technik macht ja heutzutage einiges möglich, aber den klassischen DJ verbinde ich persönlich wie gesagt immer noch mit Schallplatten.

Gibt es spezifische musikalische Einflüsse, die du für erwähnenswert hältst. etwas, was dich besonders gepusht hat?

Was mich auf jeden Fall stark beeinflusst hat, seit dem ich Musik so bewusst höre, ist amerikanischer Hip-Hop. Diese ganzen auf Sample basierenden Beats, das ist für mich nach wie vor so ein Ding, wovor ich großen Respekt habe. Und da sind auch wirklich viele Sachen dabei gewesen, aus denen ich gelernt habe, das fließt nach wie vor mit ein. Ansonsten dieser ganze klassische 90er-House, der in New York, Detroit, Chicago aufgekommen ist. Daraus ziehe ich ganz viel Inspiration, viele Elemente und klassische Sounds von alten Drumcomputern, die ich auch selber nutze.
Das sind eigentlich die beiden Hauptpunkte, die mich nach wie vor noch inspirieren und mich auch zu der Musik gebracht haben, die ich jetzt produziere.

Wenn wir schon bei deiner Musik sind: Facebook verrät über deinen Stil „90s inspired House“ – kannst du das musikalisch vielleicht noch etwas genauer einordnen?

Das ist genau das, was ich meinte. Wenn man sich mit der Musik wirklich auseinandersetzt, gibt es so klassische Elemente, die man damals verstärkt genutzt hat. Man hatte ja nicht so viele Möglichkeiten wie heute, dass man 'ne Software aufmacht, wo Tausende von Sounds drauf sind. Sondern es gab eben nur 'ne Handvoll an Geräten, die fünf verschiedene Kick-Drum Töne hatten, daraus wurde dann die Musik gemacht. 909-Hi-Hat, 909-Kick, 707-Clap, das sind so klassische Elemente, verschiedene Anordnung von Rhythmen und Tönen, die damals die ganze Musik wirklich geprägt haben. Das versuche ich einzubauen. Deswegen ist meine Musik für mich eben 90er-Jahre-inspiriert. Im Club, wenn ich auflege, dann experimentiere ich gerne auch mit etwas rougheren Sachen, ein bisschen dreckigere House-Beats, die vielleicht nicht so viel klassischen Anspruch haben, sondern ein bisschen „moderner“ sind.

Was ist für dich eigentlich elektronische Musik? Also weniger eine Definition als vielmehr das, was es dir bedeutet, oder in dir auslöst?

Gute Frage. Elektronische Musik hat für mich 'nen ganz bestimmten Charakter. Wie der Name schon sagt, es ist elektronisch. Man sollte auf jeden Fall Töne hören, Sounds wahrnehmen, von denen man merkt „Okay, das hat jetzt niemand live eingespielt“, sondern da muss irgendwie ein Computer dahinter sein.
Ansonsten ist Musik für mich ein ganz wichtiger Punkt in meinem Leben, da spielt emotionsmäßig eigentlich keine Rolle, ob das jetzt elektronisch oder rein instrumental ist, es muss einfach passen. Gerade wenn man selber Musik macht – ich höre immer auf ganz kleine Sachen. Da denke ich mir „krass, dass jemand auf die Idee gekommen ist, im Studio, und das jetzt so mit der Gitarre eingespielt hat“. Also ich achte da wirklich auf das kleinste Detail, und wenn ich das dann im Ganzen höre, kriege ich Gänsehaut. Denn ein geiler Track ist für mich wirklich 'ne hohe Kunst. Erst recht, wenn man damit irgendwie Emotionen auslöst.

Hast du denn auch an dich selber so 'nen hohen Anspruch, wenn du 'nen Track bastelst?

(lacht) Um Gottes Willen. Also ich will jetzt nicht sagen, dass ich der Guru bin. In erster Linie muss der Track mir gefallen, ich setze mir da keine Maßstäbe. Ich setz mich nicht dran und habe eine bestimmte Idee im Kopf, sondern es ist meistens so, dass ich irgendwelche Soundschnipsel nehme, die grob zusammensetze, und dann schaue, was passiert. Meistens entsteht aus dem Jammen heraus ein grobes Mixdown, woran ich die nächsten Tage weiter arbeite. Es gibt viele Sachen bei meinen Tracks, die vielleicht ein bisschen besser gemacht werden können. Aber ich glaube das ist genau der Charakter von Tracks, die ich selber mag: wenn es nicht glattgebügelt ist, die Sounds müssen nicht perfekt zueinander abgemischt sein, sondern ich mag 'nen rougheren Stil. Da ist vielleicht der Hi-hat ein bisschen lauter, im Hintergrund ist vielleicht noch ein Rauschen von 'nem Gerät … das muss einfach rein, um 'nen bestimmten Charakter zu erzeugen. Deswegen mag ich es gar nicht so rundgelutscht. Oder beispielsweise ein Sample, was nicht ganz korrekt geschnitten ist und nicht perfekt auf den Einsatz passt. Das geht für einige Produzenten gar nicht, für mich ist das ein Element, was es erst recht irgendwie rund macht.
Also ich bin auf keinen Fall perfektionistisch, das würde ich nicht sagen.

Was ist für dich ein gelungener Abend als DJ?

Ein gelungener Abend ist es dann, wenn echt alles passt. Also wenn man irgendwo gebucht wird, sich mit den Leuten gut versteht, wenn man vorher vielleicht noch 'ne schöne Zeit hat. Wenn der Club passt – obwohl ich da auch nicht anspruchsvoll bin. In 'nem Keller sein, wo 50 Leute rein passen, kann genauso eine geile Party sein wie im Conne Island oder in der Distillery oder auf 'nem Open Air, wo tausend Leute sind. Die Musik am kompletten Abend muss passen, so, dass man sich gut integrieren und den Clubbesuchern 'nen schönen Abend machen kann. Nicht dass jemand gleich am Anfang mit Techno losrumpelt, dann kommt um eins der nächste und spielt irgendwie Downtempo House – das ist denke ich für den Zuhörer vielleicht nicht ganz so toll.
Auch wichtig ist, gerade für den DJ, dass die Technik stimmt. Wenn man irgendwo hinkommt, schon alles am Mischer anschließt, ein anderer vorher auflegt, und man einen Übergang machen will, weil man dran ist und dann erst merkt, dass der Kanal, an dem man dran steckt, kaputt ist, dann schnell umstecken muss, die Platte desjenigen vorher aber schon ausgelaufen ist – so was ist dann blöd. Das ist blöd für die Besucher, weil die denken „Was'n hier los, verkackt?“ und auch man selber als DJ kommt dann irgendwie raus, aus dem Groove. Klar, man macht dann trotzdem noch das Beste draus, selbst an dem Abend, als das Mischpult kaputt war, war's schön.

Hattest du denn schon mal nen richtigen Worst Case beim Auflegen?

Es gab schon mal so Sachen, wie dass das Mischpult kaputt oder das Monitoring unzureichend war. Das ist ärgerlich und macht weniger Spaß. Aber so wirklich einen Worst Case, dass die komplette Anlage abgestürzt ist oder mein Laptop abgestürzt ist, das ist noch nicht passiert.
Wenn so kleine Sachen sind, geht’s trotzdem irgendwie weiter, man arrangiert sich dann halt. Und ich denke auch, wenn man das schon ein paar Jahre macht und sich damit irgendwie auseinandersetzt … Wer dann nicht trotzdem das Beste draus macht, ist in meinen Augen auch einfach unprofessionell. Man ist ja trotzdem gebucht. Klar, man kann von vornherein nicht immer alles komplett prüfen und ausschließen, von daher muss man sich als DJ auch ein „Was mache ich wenn...“ zurechtlegen.

Wie nimmst du die Clubszene Leipzigs wahr, sowohl als DJ als auch als Gast?

Wir sind eine recht bunte Stadt hier. Es wird echt viel geboten, auch tagsüber, wie beispielsweise die Halftime im Conne Island oder auch die Sonntags-Raves. Das ist geil, das macht auf jeden Fall Bock, aber es könnte musikalisch schon etwas mehr Abwechslung sein. Wenn man das in Kuchenstücke unterteilen würde, hat Techno im Großen und Ganzen schon das größte Stück hier in Leipzig. Klassischer House, Acid und auch so Sleazy House Sachen sind viel zu selten oder fehlen einfach komplett. Klar, es gibt auch viel guten House in Leipzig, aber meiner Meinung nach werden dabei ein paar speziellere Richtungen dieser Musik mit weniger Aufmerksamkeit behandelt. Das ist etwas schade, aber ansonsten ist eigentlich alles cool.

Bei dir steht ja gerade auch ein großes Projekt an. Möchtest du dazu noch was erzählen?

Ja, da geht es um mein erstes Album. Das kommt Ende 2016/ Anfang 2017 auf Filburts Label O*RS. Da müssen noch viele verschiedene Dinge vorbereitet und ausgearbeitet werden. Ansonsten kommen dieses Jahr noch mehrere Tracks auf verschiedenen Labels und eine neue 4-Track EP.

Und, bist du aufgeregt?

Momentan noch nicht. Das kommt dann wahrscheinlich erst, wenn es so langsam in die Promo-Phase geht, wenn die Tracks stehen, wenn das Mastering fertig ist, wenn das Cover steht. Dann wird's ernster. Es ist mein erstes Album, auch eine sehr bunte Zusammenstellung von Titeln, von daher bin ich einfach gespannt, wie es wahrgenommen wird. Das sind alles Titel, die bisher vielleicht zwei, drei Leute gehört haben. Ich bin ein kritischer Mensch, und wenn man selber Musik macht, dann hört man den Track ja ganz viele Male. Und auf dem Album sind dann teilweise Titel, die ich gefühlt schon hundert Mal gehört habe, irgendwann flacht es dann so ab (lacht) Aber es ist immer schön zu hören, wenn dann jemand wie Filburt im Studio sitzt und sagt „Fett“. Da denke ich dann „Gut, das, was ich am Anfang von dem Track gehalten habe, ist immer noch so.“ Das soll nicht heißen, dass ich die Tracks dann nicht mehr gut finde, man ist einfach mit der Zeit etwas abgestumpft. Wie wenn man einen Film, den man am Anfang total cool findet, innerhalb von zwei Monaten fünf Mal schaut – dann weiß man, was an dieser oder jener Stelle passiert. In dem Moment kenne ich meine Tracks eben auch so gut, man ist dann irgendwann etwas emotionsloser. Darum bin ich umso mehr gespannt, wie es ist, wenn das Ding dann draußen ist ...

Getroffen habe ich Sascha im Kantpark in der Südvorstadt. Es war so warm, dass wir ohne Jacke draußen sitzen konnten. Zwar hatte ich im Kopf einige Fragen vorbereitet, die wir abgearbeitet haben, doch außerhalb dessen hat sich ein ganz entspanntes, natürliches Gespräch entwickelt. Neben seinem Fachwissen, von dem ich mir gut vorstellen kann, dass es ihm beim Produzieren und Auflegen zugute kommt, strahlte Sascha eine gewisse Gelassenheit und Standfestigkeit bezüglich der Musik aus, die er macht. Das stützte die Professionalität auf der einen Seite, auf der anderen Seite hat es mir das Gefühl vermittelt, dass das, was er produziert, seinem Wesen, in gewisser Weise seinem musikalischen Bedürfnis, vollkommen entspricht. Und diese Authentizität hört man seiner Musik auch an.

© Paula Charlotte

lootbeg

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